BRUTTEN: TRIO «OST-WEST-INSPIRATION» VERBINDET  KULTUREN

Annäherung zweier Welten

 

Das Trio «Ost-West-Inspiration» mit Witek Kornacki, Klarinette, Heiri Kaenzig, Bass, und Felix Huber, Piano (von rechts nach links).

Ein hoch qualifizierter Jazzkomponist, ein ausgewiesener Klarinettenvirtuose und ein kompetenter Bassist haben im Rahmen der «Brüttemer Jazzkonzerte» ein Event der besonderen Art geschaffen.

 von  BERNHARD STRÄSSLE

Klezmer, diese hoch expressive Ausdrucksform der osteuropäisch-jiddischen Musik, ist stark verbunden mit der Klarinette. Kein Instrument kann die ungehemmte Ausgelassenheit, die erdenschwere Melancholie, die anmutige Schwärmerei und das dreiste Fordern dermassen stark und mitunter fastgleichzeitig zum Ausdruck bringen. Populär geworden ist Klezmer vor allem durch das Musical «Fiddler an the roof» und durch zahlreiche Klarinettenvirtuosen, die diese Musikgattung exzessiv auslebten. Fast unbemerkt von diesem Trend entwickelte sich in der Jazzszene eine Bewegung, die weniger die Ausdrucksform als vielmehr das reiche Angebot an Motiven und Themen für sich entdeckte. Für Komponisten des modernen Jazz war dies eine Herausforderung, galt es doch, die ungeschminkten, unmittelbar wirkenden Melodien in eine durchdachte, mitunter komplizierte Jazzstruktur mit komplexen Harmonien und Rhythmen einzubauen. Einen gangbaren Weg hat der

Pianist und Komponist Felix Huber gefunden. Der Name «Ost-West-Inspiration» ist Programm: Er nähert sich den osteuropäischen Themen aus Russland, den ehemaligen Oststaaten und dem Balkan mit Vorsicht und Respekt. Er bindet die Themen nicht in die westliche Jazztradition ein, sondern öffnet gewissermassen die Harmonie- und Rhythmusschemen der östlichen Tradition. Das ist nicht nur ein intuitives Hineinversinken in die fremde Mentalität; es ist auch eine intensive, konstruktive Arbeit. Felix Huber schreibt all die Sequenzen, die mitunter wie Improvisationen daherkommen, minuziös nieder.

 Die Themen werden nicht nur adaptiert, sondern im eigentlichen musikalischen Sinne verarbeitet. Für freie Improvisationen bleibt ein schmaler Bewegungsspielraum - sowohl gemessen am Anteil des Gesamtstücks wie in der stilistischen Ausgestaltung_ Und auch diese Freiheit kann er dem Klarinettisten nur zugestehen, weil er mit dem polnischen Virtuosen Witek Kornacki ein unzertrennliches Gespann auf der Suche nach immer neuen Wegen in der Verschmelzung des westöstlichen Musikerbes bildet.

Virtuose der leisen Töne

Tatsächlich ist Kornacki ein überaus subtiler Künstler auf seinem Instrument. Nichts von einer plakativ-expressionistischen Gefühlsschwemme auf einer volltönenden Klarinette. Er verinnerlicht die mentale Kraft der Melodien und der ihnen zu Grunde gelegten Texte. Er verwendet Klarinetten, die mit ihrem leichten Fauchen noch nach Klarinetten tönen. Und er ist fast der grössere Meisterin den zarten, mitunter kaum mehr hörbaren Tönen als in den turbulenten Obertonpassagen.

 Dort aber ist sein Ideenreichtum unübertrefflich. Spielend und ohne befremdenden Bruch gleitet er von einer konventionellen Improvisation über eine harmonisch moderne Passage in entfesselten Free Jazz, Aber auch dem Bassisten hat Huber mehr als nur Laufbassfunktionen zugedacht. Vielmehr mischt sich der Bass dermassen virtuos und dominant in das Geschehen ein, wie es nur von Musikern vom Format eines Heiri Kaenzig bewältigt werden kann.

Beeindrucktes Publikum

Es erstaunt nicht, dass das Publikum den scheinbar improvisierten Soli keinen einzigen Zwischenapplaus spendete. Zu sehr war man gefordert, die unentwegt neuen Einfälle in Soli und Begleitung zu verarbeiten. Intuitiv war zu spüren, dass hier keine Jam-Session stattfand, sondern ausgereifte Werke zur Aufführung gelangten. Felix Hubers Werke kann man wieder und wieder anhören; immer entdeckt man neue originelle und reizvolle Wendungen.