Alles ist ein einziger unaufhörlicher Tanz

NEUENBURG (fi). Angekündigt war ein musikalischer Brückenschlag zwischen Ost und West. Was das Jazztrio Felix Huber (Piano), Witek Kornacki (Saxophon) und Heiri Känzig (Kontrabass) aber tatsächlich in der Heiligkreuzkapelle vorführte, das war schon echte Landgewinnung. Die Vorträge des Jazztrios sind weit. entfernt von akademisch ausgetüfftelten Free Jazz, die meisten sind auf der Grundlage jiddischer Lieder komponiert und arrangiert und besitzen von daher noch die typische Vitalaura der Folklore. Keine Improvisationen, die sich in ihre Struktur nicht mehr verfolgen lassen - immer bleiben die Leitmotive klar erkennbar und bestimmend. Schon der Auftakt vereint mystische Grundtöne mit lebensbejahenden, strahlenden Farben, man glaubt, arabische Motive herauszuhören, Tanzfiguren, verführerische Saxophon-Kantilenen erklingen zu einem sparsam eingesetzten Klavier. Tanzelemente sind überhaupt ein Thema bei diesem Trio. In einer Melodie aus Polen werden einmal Bluestöne, dann fröhliche, an alpenländische Schuhplattler erinnernde Phrasen so natürlich miteinander verbunden, dass das Ergebnis einfach elektrisiert. Auch die schlichte, cantabile Struktur eines russischen Volksliedes, wird einer fantasievollen Jazzvariation unterzogen und endet in einem wilden Tanz. Doch es gibt in diesem Konzert auch die sehr leisen Töne, und es ist. atemberaubend, wie Kornacki sein Saxophon immer wieder an die Grenzen des gerade noch Wahrnehmbaren führt, ohne dass die Musik an Kraft verliert. Wie in jenem angehauchten Stück „Chrysanthemen“. Diese Trauer steigert sich im nachfolgenden Vortrag stellenweise zu dramatischer Verzweiflung und Resignation - es geht um wunderschöne Blumen, die aber zu spät kommen.„Ich hab dich zuviel lieb“ und „Papyrossen“ stellen Paradebeispiele dar für das enge Verhältnis der Musiker zum jiddischen Lied. Insbesondere hier wird nämlich deutlich, wie sehr die Improvisation um das Thema wirbt, solistische Highlights werden immer wieder eingeblendet, aber nicht zu egozentrischen Alleingängen überzogen. In „Hochzeit auf dem Lande“, einem pittroresken polnischen Stimmungsbild, das laute, lärmende und sehr besinnliche Phasen aufweist, begeistert das fabelhafte Kontrabasssolo, auf das man bei dem hervorragenden Soloeingang von Saxophon und Klavier noch gewartet hat. „Fiddler on the roof“ ist vielleicht wegen seiner mitreißenden, weltberühmten Melodie ein besonderer Höhepunkt dieses Programms. Auf eine sehr unmittelbare Weise ist das Stück aber auch Symbol für den musikantischen Stil dieses Trios, der die Weisheit des Alexis Zorbas zum Ausdruck bringt: Egal, was gerade passiert, es ist alles im Leben (und in der Musik) ein einziger, unaufhörlicher Tanz.