20.15 Uhr spielt das Trio «Ost-West Inspiration» im Tuchlaube– Theater. Die AZ sprach mit Witek Kornacki, dem 44-jährigen Klarinettisten und Saxofonisten der Formation.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Schweizer Behörden kamen nach Wien und fragten:

"Wer will in die Schweiz?"

 

MATHIAS PLÜSS

Sie nennen Ihr Trio «Ost-West Inspiration«. Warum dieser Name?

Witek Kornacki: Der Name spielt auf unsere Herkunft an: Der Kontrabassist Lech Wieleba und ich stammen beide aus Danzig — der Pianist Felix Huber kommt aus dem Aargau. Mit «Ost» und «West» ist aber auch unsere Musik gemeint: Wir spielen osteuropäische Volkslieder in westlich-jazziger Bearbeitung.

 

Wie gehen Volksmusik und Jazz zusammen?

Kornacki: Unser Konzept ist das einer Jazzformation — wir bewegen uns frei. Manchmal spiele ich eine jiddische Melodie, Felix Huber beginnt mich zu begleiten, wir improvisieren über das Thema. Unser Trio spielt aber auch Bearbeitungen und Eigenkompositionen von Felix Huber. Wir wollen niemanden imitieren wir sind nicht auf der Suche nach einem bestimmten Ausdruck. Es ist eher eine Eigendynamik die aus der Musik wächst.

 

Sie spielen polnische, russische und jiddische Volksweisen. Was ist das für eine Welt. aus der diese Musik stammt?

Kornacki: Das sind alte Lieder aus Galizien — dem Zauberraum im Grenzbereich zwischen Polen, der Ukraine und der Slowakei. Im Vielvölkerstaat Osterreich-Ungarn waren die Grenzen zwischen den Kulturen fliessend. Da spielten etwa Klezmergruppen auf polnischen Hochzeiten — so war die Vermischung schon da.

 

Der Klezmer, die traditionelle Jiddische Musik, ist zurzeit sehr in Mode. Stört oder freut Sie das?

Kornacki: Es freut mich sehr. Das ist für mich ein Zeichen dafür. dass die Leute auf der Suche nach ihrer europäischen Identität sind  lange Zeit war ja vor allem amerikanische Musik gefragt. Um Mode habe ich mich allerdings noch nie gekümmert. Wir haben Klezmer gespielt lange bevor es Mode war.

 

Was bedeutet Ihnen der Klezmer ganz persönlich?

Kornacki: Ach. wissen Sie, ich habe eine sentimentale Empfindung der Welt. Der Klezmer  ist für mich  wie ein Orgelpunkt, der mir dauernd durch den Kopf  summt, wenn ich durch die Strassen gehe.

 

Sie sind in Polen aufgewachsen. Sind Sie da schon in Kontakt mit Klezmer gekommen?

Kornacki: (lacht) Das Danziger Konservatorium war in einer ehemaligen Synagoge. Vielleicht hat mich das unbewusst beeinflusst. Wir waren in einer ehemaligen Synagoge und spielten Mozart. Kontakte mit jiddischer Musik gab es aber schon.

 

Eine Kindheit im Danzig der Sechzigerjahre — was sind Ihre Erinnerungen?

Kornacki: Der Geruch von Öl. Das Rau–schen des Meeres. Die Schiffe. Ich wuchs heim Hafen auf, in der Nähe der Wester–platte. wo der Zweite Weltkrieg begonnen hatte. Das war ziemlich dunkel. traurig. lichtlos, aber gleichzeitig auch schön und echt.

 

Wann sind Sie emigriert?

Kornacki: Ich konnte 1982 legal ausreisen — das war kurz vor der Verhängung des Kriegsrechts in Polen. Es war noch die Zeit von Breschnew und ich dachte. die Welt würde sich nie ändern. Ich habe in Österreich politisches Asyl bekommen. Dann sind Schweizer Behörden nach Wien gekommen und haben gefragt: «Wer will in die Schweiz?»

 

Sie belieben zu scherzen.

Kornacki: Nein, wirklich, das war so. Die Schweiz hatte ein Kontingent für Flüchtlinge aus Polen. Wir waren halt jung, weiss, integrationsfähig und auf der richtigen politischen Linie, das muss man auch sehen. Eigentlich wollte ich ja nach Kanada, aber ein Beamter sagte mir: «Wissen Sie denn, was Sie tun?! Die Schweiz ist doch das beste Land der Welt.» So kam ich in die Schweiz.

 

Ein Wort noch zur Musik. Der Kanton Aargau hat ihre zweite Formation, das «Sureste Tango Trio“ zu einem der diesjährigen "Pro Argovia Artists" gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Kornacki Das ist einerseits eine gute Referenz und ein Gütesiegel. anderseits erleichtert es uns die Verhandlungen mit den Konzertveranstaltern: Pro Argovia zahlt die Hälfte der Honorarkosten bei Konzerten auf Aargauer Boden. Pro Argovia ist übrigens von sich aus auf uns zugekommen. Die haben mir gesagt. "Herr Kornacki, Sie treten ja überall auf, nur nicht im Aargau". Nun freue ich mich sehr darauf. vermehrt da zu spielen, wo ich wohne.